Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Diesem wurde gar nicht bange,
als die lange Wolkenschlange
dunkelgrau durchs Blaue kroch
und es schon nach Regen roch.
Schließlich war er pitschenass,
doch Pfützenspringen machte Spaß!
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er saß vor dem großen Haufen,
wo die Waldameisen laufen.
Als er schließlich weiter ging,
eine an den Zehen hing,
wo sie Schmerzhaftes verspritzte,
Spuckeeinreibung ihm nützte.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er stand lange vor der Kuh,
bis sie endlich brüllte: „Muh!“
Pferde wiehern, fällt ihm ein,
Hunde bellen groß und klein.
Dachte: „Schöner Vögel singen,
die viel Freude mit sich bringen.“
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er stand vor dem Mauseloch,
überlegte: „Käme doch
endlich eine hübsche Maus
zwischen diesem Gras heraus.
Doch die hielt zu ihrem Glück
sich im Mauseloch zurück.
Über ihr ein Habicht kreiste,
der die Mäuse gern verspeiste!
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er stand vor dem Busch, wo Spatzen
statt zu singen munter schwatzen.
„Das verstehe ich mitnichten“,
denkt der Zwerg, „doch kann drauf verzichten!“
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Was hat er im Wald verloren?
Heute spitzt er seine Ohren,
weil ihn etwas fröhlich stimmt.
Er den Kuckucksruf vernimmt.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Der wanderte den Zaun entlang
hinter dem ein Esel sprang.
Dieser rief: „Ia, ia,
bin nicht mehr alleine da!“
Und beschrieb mit offnem Maul
einen großen Kreis, nicht faul.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er saß auf dem Stein am Bach,
schaute ein paar Fischen nach.
Wäre gern wie sie geschwommen,
doch dazu ist es nicht gekommen,
denn der Zwerg hat nie gelernt,
wie man schwimmend sich entfernt.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er trat einen andren Jungen,
dessen Hund kam angesprungen.
Er blieb ohne Hundebiss,
doch in der Hose war ein Riss.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Mit ‘nem roten Gummiball,
den er trat von Fall zu Fall.
Hüpfte dann durch die Allee,
wo ich auch des öftren geh'.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er lief einer Biene nach,
die ihn Gott sei Dank nicht stach.
Er kam an den Waldesrand,
wo er Bienenkörbe fand.
Summen hatte er im Ohr,
als er lange stand davor.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Der wollte bei Mondenschein
auch mal vor der Türe sein.
Wunderte sich, dass das Ding,
das am hohen Himmel hing,
ein Gesicht zu haben schien,
schaute immer wieder hin.
Ich hab' beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Um den Hals den warmen Schal,
kalter Wind blies überall.
Wollte keinen Husten kriegen
und damit im Bette liegen.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Auf der Bank bei Abendrot
speiste er sein Abendbrot.
Eine Meise Krümel pickte,
eine Oma Strümpfe strickte.
Alle waren sehr zufrieden,
als sie voneinander schieden.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Er zog den Pullover an,
ehe er den Weg begann.
Zog ihn aus, als er dann schwitzte,
in der Sonne sich erhitzte.
Was ist dabei zu erraten?
Andere das Gleiche taten.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Trug am Hute wie nicht jeder,
die blau-weiße Vogelfeder,
die am Boden er erfasste
unterm Eichelhäheraste.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehen.
Sah sich eine Schnecke an,
mit ihrem Haus kroch sie voran.
„Ach wie praktisch“, dachte er,
hob sie auf, sie war nicht schwer,
setzte sie ins feuchte Gras,
wo sie dann genüsslich fraß.
Ute Pesch
Frühjahr 2019
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