Ute Pesch
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Der trug in der Einkaufstasche
eine volle Wasserflasche.
“Bin ich durstig!”, dachte er,
trank die Wasserflasche leer.
Mit der Tasche, nun ganz leicht,
hat er einen Park erreicht.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn,
der, auf einen Baum geklettert,
wo ein Vogel Lieder schmettert,
zählt die Eier in dem Nest,
hält sich Gott sei Dank gut fest.
So kommt er gesund und munter
wieder von dem Baum herunter.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Dieser sah, gut ausgeschlafen,
hoch zu weißen Wolkenschafen,
die sich langsam vorwärts schoben
unterm Himmelsblau dort oben.
“Wolken sind doch interessant!”
unser kleines Zwerglein fand.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Er blieb stehen an der Stelle,
wo ein Auto mit ‘ner Delle
stand, betrachtete den Schaden
an dem Laster, schwer beladen.
“Hat die Kurve nicht gekriegt,
wo man um die Ecke biegt.”
Das war unsrem Zwerglein klar,
das kein Autofahrer war.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn,
der die Gänseblümchen fand,
zwanzig Stück am Wegesrand,
ein paar Schritte weiter mehr,
das erfreute ihn doch sehr,
machte einen kleinen Strauß,
den er fröhlich trug nach Haus.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn,
welcher wie die Vögel pfeift,
dabei durch die Gegend streift,
ist wie immer gut gestimmt,
weshalb er sich so benimmt.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Heut’ ist ein besondrer Tag,
was an diesem Vorfall lag:
Ihm begegnet vor dem Tor
noch ein Zwerg, stellt euch das vor.
Der macht sich mit ihm bekannt.
“Luftikus werd ich genannt!”
“Und ich heiße Fridolin”,
unser Zwerg belehret ihn.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Der war wieder nicht allein,
Luftikus wollt’ bei ihm sein,
einen Rucksack trug ein jeder
und den Hut mit einer Feder,
planten eine Wanderung
zu den Bergen, die rundum.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn,
teilte seine Schokolade
mit dem anderen beim Bade
in dem runden, flachen Teich
nahe bei dem Parkbereich,
wo die Enten schnatterten,
aber nichts ergatterten.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn
mit dem Freund in einem Garten,
um das Krähen zu erwarten
eines Hahnes, der schön bunt,
doch kein Leben tat sich kund.
Dieser Hahn war aus Metall,
angemalt, das war der Fall!
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Über ihm die Taube gurrte,
hinter ihm ein Hund, der knurrte.
Was macht unser Fridolin?
Er wirft ihm ein Stöckchen hin.
Statt’s zu ihm zurück zu tragen,
will der Hund nur daran nagen,
auch von Luftikus beachtet,
der das amüsiert betrachtet.
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Wo sich die Gardine bauschte,
er den Geigentönen lauschte.
“Luftikus”, sagt er zum Freund,
“das ein großer Meister scheint.”
Ich hab‘ beim Spazierengehn
einen kleinen Zwerg gesehn.
Der hörte Kirchenglocken läuten,
dachte, was soll das bedeuten?
“Sonntag ist!”, sprach Luftikus,
zog daraus den richt’gen Schluß!
Ute Pesch
Frühjahr 2019
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